Wanderung auf dem Jakobsweg

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Einleitung

Diese Broschüre beschreibt die Erlebniswanderung der Bewährungshilfe Marburg auf dem Jakobsweg 1999.

Die Rahmenbedingungen sind in der Einleitung vom Bewährungshelfer beschrieben. "Geh‘ mit Gott, aber geh‘", stellt das Sinnbild her für die Veranstaltung der Straffälligenhilfe dar: "das Gewohnte und Alte zurücklassen und sich auf das Fremde und Neue einzulassen:"

Im Weiteren ist das Tagebuch dokumentiert, das von den Teilnehmern erstellt wurde. Dabei beschrieb jeweils ein Teilnehmer den Ablauf eines Tag aus seiner Sicht.

Die von der Gruppe bewältigte Nachtwanderung mit ihren teilweise skurrilen Ereignissen wird von zwei Teilnehmern besonders beschrieben.

In einem Interview mit Lutz, der schon zum 3. Mal an der Wanderung teilnahm, werden seine Beweggründe für die Teilnahme exemplarisch benannt: eine gewisse Schuld "ablaufen" und Konflikte in der Gruppe bewältigen. Dokumentiert ist sein Muschelfund in Romrod.

Die Grenzwerterfahrungen dieser Gruppenaktivität betrachtet Kai Großer – der als Co-Leiter die Gruppe begleitete - in seiner Nachreflexion: "die Gruppe ist nicht als Engel gestartet". Die Aktivität hat "sich dann gelohnt, wenn sich die Teilnehmer in zentralen, lebensrelevanten Situationen an erfolgreich erlebten Situationen der Jakobsweg-Wanderung erinnern."

Der Jakobsweg wird als alter Pilgerweg quer durch Europa beschrieben. Jahrhunderte hindurch liefen die Pilger von ihrem Heimatort aus - ohne die heutigen Massenverkehrsmittel - auf gefährlichen und steinigen Wegen nach Santiago de Compostela. Die Sehnsucht nach dem Abenteuer ist auch heute noch geblieben, neben den sehr unterschiedlichen – oft nur rudimentär vorhanden – religiösen Vorstellungen.

Zum Schluß geht der Dank an die Unterstützter dieser Aktivität, die durch Spenden erheblich zum Gelingen beigetragen haben.


"Geh‘ mit Gott - aber geh‘!"

Auf "neuen Wegen", die tausend Jahre alt sind.

 

 


Im August 1999 starteten 7 Männer aus Marburg zu der zweiwöchigen Wanderung auf dem Jakobsweg. Veranstaltet von der Bewährungshilfe Marburg, beteiligten sich vom Gericht verurteilte Menschen an dieser Aktivität. Die teilnehmenden Probanden nahmen aus freiem Entschluß teil. Sie hatten sich nach eingehender Vorinformation entschlossen mit der Bewährungshilfe als Gruppe sich der Herausforderung einer Erlebniswanderung zu stellen. Diese Wanderung knüpft an die vergangenen Etappenwanderungen an, die ebenfalls mit Gruppen der Bewährungshilfe Marburg seit 1995 durchgeführt wurden.

 

 

Herausforderung für alle Beteiligten

 

Wochen in einer Gruppe zusammen zu sein, die sich erst vor der Abfahrt kurz kennenlernte, ist schon eine Herausforderung. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die jeweilige Geschichte, die die Teilnehmer mitbringen und die gesellschaftliche Stellung verstärken den herausfordernden Charakter der Unternehmung. Bis auf einen Teilnehmer haben alle schon mehrere Gefängnisstrafen verbüßt, ein Teilnehmer war gerade nach längerer Haft aus dem Gefängnis entlassen worden. 2 Wochen in fremder Umgebung, in einer Gruppe, die alles gemeinsam verrichtete: Anreise, Schlafen im Freien (oder Zelt), Einkauf und Bereitung des Essens, Abwasch, Waschstellen auffinden, Tagesplanung, Wanderung von täglich 25 km, Tagesauswertung, Kassenführung und alles weitere was eine gemeinsame Unternehmung erfordert.

 

 

"Geh‘ mit Gott - aber geh‘!"

 

it dieser Aktivität sollte den Teilnehmern ermöglicht werden, den gewohnten Alltag zurückzulassen und sich aufzumachen auf einen ungewohnten, neuen Weg. Das Zurücklassen des gewohnten Weges ist notwendig, denn dieser führte in soziale und persönliche Schwierigkeiten und führte in die Straffälligkeit. Das Aufmachen auf einen neuen Weg, der Ungewohntes und Fremdes mit sich bringt, sollte den Probanden ermöglichen für sich zu lernen: Einen Weg im Einklang mit der Umwelt und sich selber zu gehen – ohne soziale Auffälligkeit und Straffälligkeit. Somit sind die Pilgergründe, die früher die Menschen veranlaßten sich auf die Wallfahrt zu begeben, ein Sinnbild für unsere Unternehmung: das Gewohnte und Alte zurückzulassen und sich auf das Fremde und Neue einzulassen.

 

 

Neue Wege, die tausend Jahre alt sind

 

er Jakobsweg ist für jeden Menschen persönlich erst einmal eine neue Erfahrung, denn er begibt sich in eine fremde Umgebung und in eine unsichere Situation. Es gibt zwar Orte, Herbergen, Campingplätze etc. entlang des Weges, aber keine Gewißheit, welches Tagesziel erreicht werden kann. Jeder Tag war in diesem Sinn eine neue Herausforderung. Dieser Weg ist sehr alt. Er ist gezeichnet durch die hunderttausenden von Menschen, die ihn über die vergangenen tausend Jahre gegangen sind. Sie strebten nach Santiago de Compostela in Nordspanien – dort wo der Apostel Jakob beerdigt sein soll. Die Spuren des Jahrtausends sind überall sichtbar und manchmal hat man den Eindruck, man wandere zeitlich ins Mittelalter zurückversetzt. Überall begegnet man alten Gebäuden, die Wege abseits von Schnellstraßen und großen Orten wirken so, als gäbe es keine modernen Fortbewegungsmittel.

 

 

Auf dem Jakobsweg von Condom in die Pyrenäen

 

ie Strecke bis zur spanischen Grenze wurde zu Fuß zurückgelegt. Es handelt sich um 230 km, die in Tagesetappen gelaufen wurden. Gestartet wurde in Condom, dem Endpunkt der vorjährigen Etappenwanderung. Von Condom verläuft der Jakobsweg über Montreal, Arzaq, Arthez-de-Bearn, Ostabat nach Saint-Jean-Pied-de-Port, dem letzten Ort in Frankreich. Schließlich führt der Weg über den Ibaneta-Paß nach Roncesvalles in Spanien. Die gesamte Strecke wurde von der Gruppe vom 19.08 bis 30.08.99 gelaufen.

Die Anreise nach Südfrankreich erfolgte mit einem Kleinbus, beladen mit Gepäck, Zelten, Kochgeschirr und 7 Personen. Die Anfahrt von 1500 km wurde an einem Tag zurückgelegt. Die Anreise an einem Tag, stellte eine erhebliche Anstrengung für alle Beteiligten dar. Das Fahrzeug begleitete die Gruppe jeden Tag während der Wanderung, denn in ihm wurde das Gepäck transportiert und der Fahrer erledigte den täglichen Einkauf. Die Rückfahrt verlief etwas gemächlicher über 2 Tage, mit einem Abstecher an die Küste des Atlantischen Ozeans.

 

 

Das Geld: die gemeinsame Gruppenkasse und eine bittere Erfahrung

 

eder Teilnehmer hatte ausnahmslos DM 150.- in die gemeinsame Gruppenkasse für die Einkäufe und Übernachtungskosten eingezahlt. Dinge für den persönlichen Bedarf, wie Tabakwaren, waren natürlich darin nicht inbegriffen. Die Kasse wurde von Gruppenmitgliedern verwaltet. Entsprechend der Absprachen über Einkaufswünsche und Essensplanungen wurde gemeinsam entschieden, was gekauft werden sollte. Ebenso wurde über die Entscheidung, ob die Übernachtung auf einem Campingplatz erfolgen soll, verfahren.

Bedauerlicherweise wurden aus dieser Kasse 300 Francs entwendet. Viele Gespräche, Konfrontationen und schließlich Taschenkontrollen konnten nicht aufklären, wo das Geld geblieben ist. Die Folge war, daß die Gruppe mit dem geringeren Geldbetrag auskommen mußte.

 

 

Dank an die Spender und Unterstützer

 

ie Fahrtkosten übernahm das Hessische Ministerium der Justiz; weitere Zuschüsse für ein Abschiedsessen, Fotomaterial etc. steuerten die Vereine "Landeszusammenschluß für Straffälligenhilfe" und "Förderung der Bewährungshilfe in Hessen" bei. Die Erstellung dieser Broschüre wurde durch Spenden der Marburger Geschäfte, die auf dem Rückseite der Broschüre aufgeführt sind, ermöglicht.

 

Peter Reckling

 

 

 

Die diesjährige Etappe auf dem Jakobsweg:

Von Condom in Frankreich ca. 230 Kilometer bis nach Roncesvalles in Spanien

 



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