Interview mit drei der
teilnehmenden Probanden an der erlebnispädagogischen Wanderung der
Bewährungshilfe Marburg
Interviewerin: So, ich wollte Euch erst einmal fragen, warum Ihr denn
überhaupt da teilgenommen habt, denn das war ja wohl freiwillig und Ihr mußtet
das ja nicht machen?
Hans: Nee, machen
mussten wir es nicht. Och wir sind einfach freiwillig mitgefahren, um hier aus
dem Alltag einfach mal rauszukommen, weil es halt ne gute Sache war, was von der
Bewährungshilfe angeboten wurde.
Manfred:
Also bei mir
war’s halt so, bei mir war’s halt anders als bei den andern beiden, weil die ja
schon mal da waren und Ihr ward bestimmt schon mal da, weil’s halt schön
war.
Hans: Ja sicher,
zum zweiten Mal sind wir mitgefahren, weil’s halt schön
war.
Manfred: Und bei mir
war’s halt einfach so, gut ich war erst drei Monate auf Bewährung: für mich
war’s halt eigentlich auch nur mal, dem Alltag zu entfliehen. Aber jetzt, wenn
ich da jetzt dieses Jahr wieder mitfahr, dann ist es einfach nur - es gibt nix
schöneres, wenn man so ne Natur sieht oder so. Das bindet halt irgendwie auch an
die Bewährung, irgendwie wenn man das dann alles sieht und denkt, wenn man jetzt
nochmal Mist baut, dann kann man so was nie mehr erleben. Da gehört man halt zu
einer ganz anderen Welt, wenn man da nur mit der Natur verbunden ist. Daß kann
man gar nicht mit Worte erklären. Für mich ist es eigentlich ne Sucht geworden.
Ich weiß haargenau, weil mir halt den berühmte Weg, den Jakobsweg gewandert
sind, hab ich mir halt das Ziel gesetzt bis nach Santiago durchzulaufen und wenn
ich das alleine durchziehe. Das ist halt irgendwie was ganz anderes, wenn man so
mit der Natur verbunden ist. Es gibt kein Alltag, es gibt Nix, es gibt kein
Telefon, es gibt kein Briefkasten, wo ein Brief kommt auf dem irgend ein Problem
draufsteht.
Hans: Ja, die
kommen ja, wenn Du wieder zu Hause bist. Aber Du kriegst auch einen anderen
Bezug zur Bewährungshilfe irgendwie und zum Bewährungshelfer auch. Der setzt
sich dann für Einen auch mehr ein, wenn man - der sieht halt, daß er sich auf
Einen verlassen kann, daß man zuverlässig ist und das ist halt - ich weiß
nicht.
Doris: Bei mir hat
das halt mit der Vorgeschichte zu tun. Ich hatte also vorher ein Drogenproblem
gehabt. Bin von Kassel hier her nach Marburg gekommen und mir ging es irgendwie
gar nicht so gut und den Peter Reckling, den hatte ich auch erst neu
kennengelernt. Den hab ich halt hier in Marburg als Bewährungshelfer zugeteilt
bekommen und der hat mir das halt angeboten und normalerweise war so ne
Gruppenfahrt oder mit anderen Leuten irgendwie länger weg zu fahren gar nicht so
mein Ding. Der H. und ich wir haben uns halt überlegt, wenn die Fahrt nix wird,
wenn man mit den Leuten irgendwie nicht auskommt oder so, dann machen wir halt
wenigstens nen Urlaub für uns. Machen uns halt paar schöne Tage und weil wir
halt überhaupt nicht die Möglichkeit hatten, irgendwie anders einen Urlaub zu
finanzieren, haben wir halt gesagt, fahren wir mal mit. Gerade weil die Gegend,
also ich war schon mal da im Zentralmassiv, und das ist ne tolle Gegend und da
haben wir uns gedacht, das bringt auch irgendwie was. Man hat Zeit irgendwie
über sich ein wenig nachzudenken und da hab ichs mal auf mich zukommen
lassen.
Hans: Ja das war
ja auch ne gute Sache, daß da vom Gericht irgendwie auch Finanzen dazukamen. Es
war jetzt nicht so, daß jetzt von der Seite her gar nix kam. Da sieht man auch,
daß das Gericht daran interessiert ist, was weiß ich, die Bewährungshilfe
mitzugestalten. Für viele ist es so, die gehen einmal die Woche zum
Bewährungshelfer, nur weil sie der Bewährungshelfer sehen möchte und die
weiterhin ihren Scheiß bauen und sowas. Aber wenn man da irgendwie mal an sowas
teilgenommen hat, so ne Aktivität von der Bewährungshilfe aus, dann ist das
irgendwie ganz anders. Man geht beim Bewährungshelfer vorbei, einfach so einen
Freundschaftsbesuch mal. Also der Peter hat uns nicht einmal angeschrieben, seit
dem wir da mit waren, daß wir da vorbeikommen sollen oder so. Wir gehen halt
freiwillig hin und sagen "Hallo" und dann wird halt das besprochen, was
vielleicht ein Problem ist oder keins ist.
Doris: Auf der
Fahrt, da hat er (Bewährungshelfer) uns halt das "Du" angeboten, weils ein
bißchen blöd war, wo wir da halt ein paar Tage schon zusammen waren, da immer
noch "Sie" zu sagen. Also er hat uns gesiezt und wir ihn und irgendwann hat er
halt gesagt : "Wir bleiben jetzt beim Du". Dadurch hat sich das Verhältnis total
geändert, irgendwie mehr freundschaftlich jetzt.
Interviewerin:
Und welche Erfahrungen habt Ihr denn da gemacht, wo Ihr sagen könnt, also
als wir dann nach Hause gekommen sind, das hat uns was gebracht und die haben
wir halt auch mit in den Alltag nehmen können?
Manfred: Das ist
auch so die Verpflichtung irgendwie. Also es gibt auch ne Regel, daß man im Team
zusammen, kein Alkohol, keine Zigaretten, keine Drogen.
Hans: Ganze
Abstinenz war das nicht, nur Alkohol und Drogen waren
untersagt.
Manfred: Und dann
halt auch morgens das Aufstehen, da kann das nicht sein, daß irgendeiner morgens
zwei Stunden länger schläft. Es müssen alle da sein und das Aufstehen war schon
ein bissel Verpflichtung. Hät man das halt nicht so gemacht, dann hät man das
auch irgendwie nicht sehen können und das hab ich mir danach irgendwie in den
Alltag mit rein genommen. Weil, wenn ich jetzt morgens bis elf oder zwölf Uhr
schlaf, dann kann ich nix erreichen, als wenn ich morgens um acht oder um sieben
Uhr aufsteh. Abends hat man sich dann überlagt, was machen wir morgen und wie
laufen wir und dafür muß ich um acht Uhr aufstehen, wenn ich das erreichen will.
So hab ich das halt zu Hause dann irgendwie gemacht. Ich hatte mir vorher halt
das Ziel gesetzt, mir in der Reise alles, meine ganzen Probleme durch den Kopf
gehen zu lassen und mal alles aus mir raus zu lassen irgendwie. Und dann hab ich
halt dadurch gelernt, daß es wichtig ist, wenn man abends etwas plant, dann zu
planen, wann ich früh morgens dann aufstehn muß. Wenn ich bis elf oder zwölf Uhr
im Bett lieg, brauch ich mich nicht zu wundern, wenn ich keine Arbeit
krieg.
Hans: Wir waren
alle irgendwie arbeitslos oder sonst was und haben nix gemacht jobmäßig und in
der Richtung überhaupt keine Verpflichtungen gehabt. Und dann hat man da doch
gelernt irgendwie zusammen zu halten und zusammen zu arbeiten und auch das
miteinander Laufen und so was, Karten lesen, den Weg finden. Da mußte sich schon
der Eine auf den Anderen verlassen können und es wurde alles gemeinsam gemacht,
die ganzen Aktivitäten da in Frankreich. Es war schon ne tolle
Sache.
Im Weiteren
erzählen die Interviewteilnehmer nun von der ersten Wanderung auf dem Jakobsweg
im Vergleich zu der zweiten und kommen zu dem Ergebnis, daß beim zweiten Mal
alles besser klappte als vorher, da die Organisation besser
war.
Doris: Bei uns war
es halt so, wie wir halt aus Frankreich kamen, wir waren bestimmt noch acht
Wochen danach so im Urlaubsfieber in der Fahrt da drin, also es hat lange
angehalten irgendwie.
Hans: Ja, das war
jetzt die Sache zum Urlaub, aber was die Bewährungshilfe betrifft, man kriegt
einfach einen ganz anderen Bezug dazu find ich, wenn man sowas mitgemacht hat
von der Bewährungshilfe. Ich kann mich noch daran erinnern nach der ersten
Fahrt, wo wir dann ins Eisstadion wollten (ebenfalls von der Bewährungshilfe
aus) und wo dann kein Mensch kam.
Wir waren die Einzigen, die dann da waren. Da hat man dann doch gesehen, daß wir
die Sache ernst genommen haben und die anderen das eben auf die leichte Schulter
genommen haben und dachten "Der kann mich grad mal".
Doris: Ich kann
mich das erste Mal daran erinnern, als ich beim Peter (Bewährungshelfer) saß,
ich hab mich echt gefragt, was willste denn da. Jetzt mußt du zweimal im Monat
zu dem Kerl halt hin und mußt dich mit dem da über irgendwas auseinandersetzen.
Und ich fand schon wichtig über so ne Fahrt oder wir hätten ja auch was anderes
machen können, aber daß man sich halt näher kennenlernt und so. Anders
miteinander umgeht und jetzt ist das schon in Ordnung so auf einer
freundschaftlichen Basis und man hat viel mehr Vertrauen und redet auch ganz
anders, als wenn das einfach nur so en Mensch da von so einem Amt ist, dem
öffnet man sich gar nicht so.
Manfred: Also das
find ich auch. Wo ich mit der Bewährung angefangen habe, da dachte ich auch, das
ist wie beim Arbeitsamt, wo du alle drei Wochen hingehen mußt, damit die ihr
Kreuzchen machen können. Erst auch, aber dann, mit solchen Aktivitäten, da merkt
man halt, denen geht es nicht nur um ihren Job, sondern die strengen sich
wirklich an, die wollen dir helfen. Das hilft unheimlich, man steht halt
ziemlich alleine da, wenn man Bewährung hat. Das ist halt unheimlich wichtig,
wenn jemand da ist, der dir zeigt...
Doris: Der Peter
ist auch während der Wanderung mit jedem Einzelnen mal in so ne Ecke gelaufen
und hat mal ein Gespräch geführt, um denjenigen halt kennenzulernen. Also das
hat toll funktioniert.
Hans: Also, er
hat die Leute richtig kennengelernt und jeder selber hat ihn auch besser
kennengelernt.
Interviewerin: Sind da denn auch mal so Probleme angesprochen worden, wie
Ihr zum Beispiel in das Ganze reingekommen seid und warum Ihr Bewährung habt
?
Hans: Doch
sicher, die Leute gegenseitig haben sich sicher mal darüber unterhalten, wenn
man mal so zusammengelaufen ist oder sonstwas. Das man halt mal gesagt hat,
weshalb hast Du Bewährung oder so. Weshalb und warum ist es so gekommen. Aber
man hat doch gemerkt, alle Leute, die da irgendwie mit waren, die gehen damit
nem ganz anderen, die haben halt das Ziel:" Ich will keine Bewährung mehr haben
und so. Das ist Scheiße, kein Mist mehr bauen." Das ist ganz anders wie bei
Leuten, die auch bei Vortreffen mit waren.
Hans erzählt
hier weiterhin von potentiellen Teilnehmern der Wanderung, die viel um die Sache
herumgeredet haben, letztendlich aber doch nicht mitgefahren
sind.
Doris: Das sind
eben nur wenige von den Leuten, die dazu bereit sind sowas zu machen. Also so
Leute, die schon ewig im Knast gesessen haben, die kann man auch nur schwer
überreden so ne Fahrt mitzumachen. Ich denk mir, das ist ein kleiner Teil, der
auch wirklich dazu bereit ist. Wir haben ja auch wirklich was geleistet, die
Kilometer, die wir da laufen und überhaupt das Zusammenleben und so, daß kann ja
auch nicht jeder. Man muß auch ne Bereitschaft zeigen, mit anderen Leuten - es
war zwar nur eine Woche - aber wenn man eine Woche auf engstem Raum zusammen
wohnt praktisch, dann muß man sich schon auf den Einen oder Anderen einlassen
und Toleranz zeigen.
Hans: Ja für den
Peter ist es bestimmt auch nicht einfach, er verläßt sich ja dann auch auf uns.
Das wir uns da gegenseitig vertragen und daß nichts passiert. Kann ja passieren,
daß da Einer mitfährt und in Frankreich plötzlich auffällig wird, zum Beispiel
in einem Geschäft die Taschen vollsteckt. Es wird vorher gesagt, das und das
gibt es nicht, das ist Out und daran hält sich dann jeder.
Doris erzählt nun
von Problemen, die es auf der ersten Fahrt gab und berichtet davon, daß man
immer versuchte die Konfliktlösungen gemeinsam in der Gruppe worden sind zu
finden.
Doris: Da war
immer die Meinung von allen gefragt und das hat nicht einfach der Peter
entschieden und das war schon so ne Gemeinschaft.
Hans: Da kam es
ja auch drauf an, das war ja auch Sinn und Zweck der
Sache.
Interviewerin: Warum meint Ihr, sind solche Aktivitäten gerade etwas für
Straffällige, was bringt es gerade den
Leuten?
Manfred: Ja wenn ich
jetzt zum Beispiel bei mir war’s halt so, ich hatte ja gerade frisch Bewährung.
Ich war total drunten gewesen eigentlich, wo ich die Reise angetreten hab und
bei anderen war das ja auch so, denn die leben ja im Alltag weiter d.h. die
Probleme sind immer bei denen drin. Ist klar durch die Reise sind jetzt nicht
die Probleme weg, aber du gehst halt ganz anders damit um. Wenn du jetzt
irgendwie auf so einer Reise bist, dann kannst du das viel besser verarbeiten,
denn es ist halt keiner da, der an dich kommt. Du kannst das alles rauslassen,
du kannst dich mit Leuten darüber unterhalten, du kannst alles rauslassen und
so. Ich mein wenn du so im Alltag bist, dann frißt man das alles viel mehr in
sich rein, aber auf so einer Reise kannste mit anderen reden. Da kannst du der
sein der du bist und mußt nicht der sein, was andere vielleicht
wolle.
Doris: Gerade in
dieser einsamen Gegend, wir waren ja wirklich so auf uns gestellt und mußten
halt das Miteinander, wie ich zum Beispiel, ich hab überhaupt kein Freundeskreis
gehabt, ich war halt so ein Einzelgänger. Ich mußte das mehr oder weniger auch
lernen mit anderen Leuten halt auszukommen über diese Zeit und so. Und gerade in
dieser einsamen Gegend war das also schon gut zu lernen irgendwie. Man hatte
viel Zeit sich halt Gedanken zu machen und so.
Hans: Na, weil
Straffällige sind ja nun mal ne Problemgruppe genau wie Heimkinder auch oder
sowas, was weiß ich. Aber es ist schon gut, daß so etwas unternommen wird, daß
die Leute halt auch mal lernen, das gegenseitige Verlassen auf den Anderen und
sowas, das ist irgendwie sonst nicht. Wenn jemand in den Knast gesperrt wird,
dann sitzt er seine Zeit ab und schiebt nur einen Frust und sowas, was nicht
viel bringt. Aber wenn diejenige Person da irgendwie in der Zeit wo er draußen
ist, mehr unternimmt und an sich arbeitet, dann bringt das viel mehr. Der sieht
dann auch ein, daß er Scheiße gebaut hat und er sieht das Problem, wo es ist.
Man sieht’s halt.
Interviewerin: Meint Ihr, bei solchen Maßnahmen kann man vielleicht eher
die eigenen Probleme erkennen und an sich arbeiten
?
Hans: Auf jeden
Fall.
Doris: Man hat
jedenfalls die Zeit dazu, sich überhaupt Gedanken zu machen. Wenn man so zu
Hause im Alltag steckt, dann ist irgendwie jeden Tag was anderes und man kommt
überhaupt nicht dazu, sich irgendwie ruhig hinzusetzen und über sich und über
das Umfeld halt nachzudenken. Da hatte man halt die Möglichkeit, weil von außen
keine Einflüsse halt kamen, konnte man sich wirklich die Zeit nehmen und sich da
Gedanken machen.
Hans: Ja, über
die Sache halt selber mal nachzudenken und weshalb man den Scheiß gebaut hat und
warum und daß es ja eigentlich nicht sein brauch, daß man das tut, ne. Und dann
kriegt man halt auch ein anderes Verhältnis dazu. Was weiß ich, zu dem Ganzen
halt was man verbrochen hat. Man sieht halt, man hat Scheiße gebaut. Man sieht
das Problem, ne, und läuft nicht daran vorbei, wenn man da einmal oder zweimal
im Monat zum Bewährungshelfer geht, da geht man schon mit einem Hals hin. Äh -
muß ich wieder da hin und äh - das ist nur Gelaber und da sitzt man ne viertel-
oder ne halbe Stunde da, kriegt Fragen gestellt, die beantwortet man, geht raus
und das wars. Das Problem ist aber nicht erkannt dadurch und da sieht man halt,
ich weiß nicht woran das liegt, man denkt darüber nach. Was hat man gemacht und
wenn ich das nicht gemacht hätte, wäre ich halt nie in die Scheiße reingeraten
oder sonstwas und man sieht halt, daß man Scheiße gebaut
hat.
Manfred: Man ist
halt mit ner ganz anderen Motivation aus dem Urlaub gekommen und hat seine
Angelegenheiten zu Hause also die dann zu Hause auf Einen gewartet haben - mir
gings jedenfalls so - ganz anders angefaßt jetzt so.
Hans: Ja, alles,
dieses Ganze, ob das jetzt Bezahlen war an Gerichtskassen oder sonst alles, egal
was da jetzt anliegt so an den anderen Bewährungsauflagen. Man hat das alles
ganz anders gesehen, man hat plötzlich gesehen, das mußte halt tun, es ist halt
wichtig daß du das tust und wenn du es machst, dann wirst du auch im Endeffekt
belohnt dafür. Das du nicht wieder straffällig wirst oder sonst was und man
führt halt ein normales Leben halt wie andere Leute auch und hat überhaupt keine
Lust mehr dazu, irgendwie straffällig zu werden oder sonstwas oder irgendwie nen
Scheiß zu bauen.
Interviewerin: Habt Ihr denn da auch so in der Gruppe voneinander lernen
können?
Hans: Ja
sicherlich, klar. Man hat darüber gesprochen wie es jedem ergangen ist. Zum Ende
der Fahrt wußte eigentlich jeder über jeden Bescheid, obwohl das nicht da in der
Gruppe diskutiert wurde oder sonstwas, aber man hat sich schon untereinander
ausgetauscht. Und dann hat der mal erzählt und der mal erzählt und das war halt
immer mal gut mit jemanden zu reden, der das gleiche Problem hat oder sowas. Und
wie der das angeht und so, aber zum Schluß hat jeder den richtigen Weg gefunden,
denk ich mal. Auf jeden Fall die Leute, die letztes Jahr mit waren.
Doris wendet hier
ein, daß dies nicht bei allen Teilnehmern der Fall war und berichtet von einem
Probanden mit einem Alkoholproblem, der nach der Fahrt erst so richtig
abgestürzt sei, jetzt jedoch eine Therapie begonnen habe. Hans erzält im
Weiteren von den Problemen auf der ersten Fahrt. Er führt an, diese sei noch
etwas unorganisiert gewesen, also mehr wie ein richtiges Abenteuer. Außerdem sei
es zu keinem richtigen Gruppenzusammenhalt gekommen, da einige der Teilnehmer
die Maßnahme überhaupt nicht ernst genommen hätten und die Wanderung ihnen auf
den "Senkel" gegangen sei.
Manfred: Aber ich
finde schon, daß durch so ne Fahrt neue Türen gezeigt werden, die auch geöffnet
werden. Ich finde schon, daß das irgendwie gut ist, wenn man mal aus seinem
Alltag einfach flüchten kann, weglaufen kann. Wenn auch nur für ne kurze Zeit.
Interviewerin: Man kommt aber doch wieder zurück!
Manfred: Ja. ja aber
man kriegt mal ne Pause irgendwie. Das war wie so ne
Entgiftung.
Hans: Ich denke
mal, uns drei, wie wir hier sitzen, hat es viel gebracht irgendwie. Ich mein
also uns hat es viel gebracht. Wir haben auch irgendwie einen Sinn darin
gefunden, weil, was die Reise angeht, wir sind ja immer, wenn das erste Mal, das
war ein bißchen schief gelaufen, und es war ne tolle Gegend und wir sind beim
zweiten Mal auch deswegen mitgefahren, weil man auch den Bezug zur
Bewährungshilfe nicht verloren hatte oder sowas, ne.
Weiterhin
berichtet Hans von Probanden, welche man hin und wieder mal treffe und
die ihre Zeit bei der Bewährungshilfe eben ableisten würden, ohne sich weitere
Gedanken über den Sinn und Zweck zu machen. Er führt an, daß die Teilnehmer an
diesen Maßnahmen jedoch von diesem Zeitpunkt an ein ganz anderes Verhältnis zur
Bewährungshilfe bekommen hätten.
Hans: Wir jedoch
hatten ab diesem Zeitpunkt ein ganz anderes Verhältnis zur Bewährungshilfe, zur
Sache an sich, was die Bewährung eigentlich angeht. Man hat halt erkannt, um was
es geht. Sonst sieht man einen Bewährungshelfer als einen Menschen, wo man
hingehen muß, daß ist ne Auflage vom Gericht. Das ist irgendwas schlimmes, daß
ist vom Gericht aus und schon ist es Scheiße, obwohl es eigentlich ne gute Sache
ist.
Doris: Und jetzt
ist es halt so en Ansporn, also man leistet ja wirklich was während so einer
Fahrt. Das ist ja nicht, daß wir da einfach mit dem Bus so durch die Gegend
fahren. Und deswegen ist es schon irgendwie so an seine Grenzen zu gehen, wenn
man den ganzen Tag gelaufen ist und hat halt abends sein Zelt aufgebaut und
fällt nur noch auf seine Isomatte oder auf seinen Schlafsack. Also es ist
irgendwie schon ein tolles Gefühl, wenn man so ein bißchen ausgelaugt ist und
man hat halt was getan und nicht vielleicht wie zu Hause so unnütz darum
gesessen.
Manfred: Man lernt
halt nach Regeln zu leben.
Interviewerin: Wenn man also so an seine eigenen Grenzen geht - die
Bewährungshilfe und das ganze Straffälligsein ist ja eigentlich so belastet von
lauter negativen Eigenschaften. Auf solchen Maßnahmen soll man ja auch Seiten
von sich kennenlernen, die eben positiv sind und die einem zeigen, daß man auch
was erreichen kann und nicht nur schlecht ist, weil man straffällig ist. Habt
Ihr das auch so erlebt?
Hans: Ja sicher.
Ich denke da dran liegt das auch, daß wir alle durch die Bank weg einen Job
jetzt in diesem Jahr gefunden haben. Das ist ja grad bei Straffälligen ist es
schwierig dann sich wieder einzugliedern in die normale Gesellschaft halt und
sonstwas. Jeder hat sich irgendwie ein Ziel gesteckt und geht einer geregelten
Arbeit nach und sowas. Ich denke, mal das ist - die Fahrt hat viel bewirkt bei
jedem, also jeder hat irgendwie gelernt: ich muß was tun, so geht es einfach
nicht, daß ich alles auf mich zukommen lasse und sowas. Und man hat halt dort
ein gewisses Pflichtbewußtsein gelernt.
Doris: Was ich
aber auch schön fand, wir sind alle irgendwie, wir sind alle mit der
Bewährungshilfe rübergefahren und waren halt die meisten Knackis und halt ein
Bus voll schlechte Menschen, so ungefähr. Und wo wir halt durch Frankreich
gelaufen sind, erstmal die Franzosen in den Ortschaften, alle waren total
freundlich und nett und wir kamen da auch mit unseren Pilgerstäben und
Rucksäcken vorbei und alle haben uns begrüßt und so irgendwie. Und wir waren da
auch anerkannt als Pilger, daß wir halt zu Fuß da diesen Marsch machen und waren
halt nicht mehr diese schlechte Menschen irgendwie.
Hans: Man hat
sich anders gefühlt, ne, angesehener wie jetzt hier gesagt wird, daß ist eh ein
Straffälliger und das ist ein schlechter Mensch, obwohl man sollte sie ja net
alle über einen Kamm scheren!
Interviewerin: Das ist aber doch oft so und das erlebt Ihr doch bestimmt
auch so?
Hans: Das ist
überall so, ob man jetzt einen Job sucht oder sonstwas, ne. Das ist halt - ich
hab hier letztens erst von meinem Chef wieder gehört und das fand ich auch als
irgendwie als Bestätigung, daß er halt sagt zu mir : "Man kann Einem nur bis vor
den Kopf gucken". Er hat halt gemerkt, daß ich in der Arbeit gut bin und sowas
und sagte die inneren Werte zählen halt eben, ne?! Das, was man erreichen will
und was man kann. Da ich halt jetzt noch in der Ausbildung bin. Er hat mir
angeboten, daß wenn ich fertig bin, daß ich da sofort meinen Job hab. Das war
halt das, was im Praktikum gelaufen ist. Man geht die Sache anders an, man will
was erreichen und man will halt leben, wie die anderen Menschen auch leben, halt
in Ruhe und Frieden und nicht als armer Knacki oder sowas. Wenn man halt immer
so weiter lebt, ach es ist egal ob ich jetzt einen Job hab oder nicht, das
arbeitslos sein ist ganz gut, ich brauch nix zu tun und mit dem Geld komm ich
auch rum und sowas. Man muß sich halt ein Ziel stecken. Man muß halt einfach
sagen, ich kann auch mehr als das, und ich denke mir mal, daß die Fahrten da
viel beigetragen haben. Das jetzt, mir das Ziel zu stecken, eigentlich nur die
Fahrten und die ganze Beziehung zur Bewährungshilfe und
dann.
Interviewerin:
Stephanie Volk