Bericht über Erlebniswanderung mit
Probanden auf dem Jakobsweg in Frankreich (1997):


Herausgeber:
Neue Wege ( Peter Reckling, Daniel Hummel, Michael Tihelka) Anschrift: Bewährungshelfer Peter Reckling Schulstr. 12 35037 Marburg

Marburg, Dezember 1997


Neue Wege

Inhaltsverzeichnis

Seite Vorbemerkung

Einleitung: Aufbrechen und Unterwegssein

Tagebuch der Teilnehmer an der Wanderung

Gedichte zum Wandern auf dem Jakobsweg von Michael

Dokumentation


Auszüge:

Aufbrechen und Unterwegssein Wanderung von Conques nach St. Cirq Lapopie

An einem Freitag im Juli 1997 startete eine Gruppe von 8 Menschen in Marburg zu ihrer Wanderung auf dem Jakobsweg. Es sind dies junge Menschen, die eine Bewährungsstrafe erhalten hatten und ihr Bewährungshelfer. Ein „Ehemaliger“ hat sich der Gruppe angeschlossen.

Morgens um 4 Uhr trafen sich die Wanderer, um die lange Fahrt zum Ausgangspunkt in Frankreich zu beginnen. Ausgerüstet mit Rucksack, Fahrtproviant, Schlafsack und Isomatte wurde der Kleinbus beladen, der uns nun für 8 Tage immer begleiten würde. Nach langer Fahrt auf deutschen und französischen Autobahnen, schloß sich die kurvenreiche Fahrt durch das Zentralmassiv bis zum Einbruch der Dunkelheit an. Wir erreichten Conques, unseren Ausgangspunkt im westlichen Ausläufer des Zentralmassivs.

In Conques - einem über die Jahrhunderte hinweg scheinbar unverändert gebliebenes Dorf - übernachteten wir in der Pilgerherberge. Hier begann die insgesamt 110 km lange Wanderung auf dem historischen Jakobsweg. Immer der rot- weißen Markierung folgend, liefen wir auf unbefestigten Wegen oder Nebenstraßen. Kleine Orte passierten wir und erreichten die Kleinstadt Figeac. Ab hier folgten wir dem Flußlauf des Celè bis wir schließlich nach 5 Tagen Wanderung in St. Cirq Lapopie am Fluß Lot angelangten. Übernachtet hat die Gruppe auf Weiden am Flußufer im Freien oder Zelt (auch 2x auf einem Campingplatz). Die schweren Gegenstände wurden im Begleitfahrzeug transportiert, so auch die Gaskocher, Kochgeschirr und Lebensmittel.

In das gemeinsame Tagebuch hat jeden Tag ein anderer Teilnehmer seine Eindrücke des Tages notiert. Abends, nach dem gemeinsamen Essen, trug der jeweilige Autor seine Aufzeichnungen vor. Es gab dadurch immer wieder eine Gelegenheit zur Tagesauswertung und zur Verarbeitung von Schwierigkeiten. Auf den folgenden Seiten sind die Tagebuchaufzeichnungen dokumentiert.

Die entstandenen Kosten für Verpflegung und Unterkünfte wurde durch eine Gruppenkasse beglichen. Jeder Teilnehmer hat ausnahmslos einen Betrag von 100.- DM in die Kasse eingezahlt. Das Geld wurde von einer Teilnehmerin verwaltet. Das Geld reichte gut aus, so daß zum Abschluß noch ein Restbetrag zum persönlichen Einkauf von Andenken ausgezahlt werden konnte. Die Fahrtkosten für den Kleinbus waren etwas schwierig zu erhalten, denn kurzfristig hatte das Hessische Justizministerium wegen der eingetretenen Haushaltssperre diese nicht übernommen. Erfreulicherweise erklärten sich die Vereine „Förderung der Bewährungshilfe in Hessen e.V.“ und der „Landeszusammenschluß für Straffälligenhilfe in Hessen“ kurzfristig bereit einen Teil der Kosten zu tragen, so daß die Wanderung durchgeführt werden konnte.

Auf dem Weg nach Santiago de Compostella

Vor 3 Jahren ist die erste Gruppe der Bewährungshilfe mit mir auf dem Jakobsweg von Le Puy aus gewandert. Wie auch im Folgejahr wurde entlang des markierten Weges der „via podiensis“ in einer Woche 100 km zu Fuß zurückgelegt. Damals waren es auch 8 Teilnehmer, von denen einige auch an der Folgeetappen sich beteiligten. Insgesamt sind bisher 300 km zurückgelegt und Santiago de Compostella rückt näher.

Warum wandern in Frankreich?

Der Jakobsweg durch Frankreich ist sehr reizvoll, da er einerseits abseits von den Massentouristenströmen verläuft und andererseits die historische Komponente durch die hunderttausenden Menschen, die im zu Ende gehenden Jahrtausend diesen Weg prägten, in Teilen erhalten ist. Klimatisch bietet dieser Teil Europas die Möglichkeit auf einer Wanderung den Erlebnischarakter besonders zu betonen. Das Übernachten im Freien ist leicht möglich, so daß auch nur geringe Kosten entstehen.

Europa - Dimension

Der begangene Jakobsweg ist Teil der vom Europarat 1988 ernannten „Ersten Europäischen Kulturstraße“. Historisch hat er viel zur europäischen Identität und Integration beigetragen. Die Pilgerströme der früheren Jahrhunderte sorgten für das Zusammenschmelzen der Völker und einen Austausch ihrer Kulturen. Heute eröffnet er die Möglichkeit der gemeinsamen kulturellen Identität der Europäer. In unserer Zeit, wo die Politik das gemeinsame Europa postuliert, ist es um so dringender, daß auch die Menschen sich näher kommen und von den europäischen Kulturen lernen.

Perspektive

Das begonnene Projekt der Wanderung auf dem Jakobsweg mit Menschen der Bewährungshilfe soll fortgesetzt werden. Da die Entfernungen vom Heimatort immer größer werden, sind die Fahrtstrecken und -kosten steigend. 1998 wird die nächste Etappe die Gruppe in die Pyrenäen führen, dafür ist eine mindestens 2-wöchige Wanderung notwendig. Die Teilnehmer werden wieder die Verpflegungskosten selber tragen. Wir hoffen, auf Unterstützung von Seiten des Hessischen Justizministeriums und fördernden Vereinen.



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