Der Jakobsweg

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Der älteste Pilgerweg quer durch Europa

 

 

Der Heilige Jakobus als Namensvater

 

 

s war der Lauf der Geschichte, der es wollte, daß der Leichnam von Jakobus 614 n. Ch. vom Berg Sinai nach `finis terraeŽ, dem damaligen Weltbild entsprechend das Ende der Welt, ins heutige Nordspanien gebracht wurde. Dabei war Jakobus nicht irgendwer, sondern einer der zwölf Jünger und Weggefährten Jesus Christus, späterer Missionar in Spanien und zuletzt Bischof in Jerusalem. Er war und ist ein Heiliger des Christentums. Um so größer war die Freude, als einer Legende entsprechend ein Bauer einen hell leuchtenden Stern über einem Feld entdeckte und dort das über die Jahrhunderte vergessene Apostelgrab fand. Das einzige in der westlichen Welt existierende neben zwei weiteren von Petrus und Paulus in Rom. An dieser Stelle wurde zu Ehren eine Kirche gebaut, die spätere Kathedrale und zugleich Zentrum der Stadt Santiago de Compostela (= Stern über dem Feld).


Das Ziel, dieses Grab aufgrund des christlichen Glaubens in Form einer Wallfahrt zu erreichen, erlangte über die Jahrhunderte eine immer größere Bedeutung. Die Geburtsstunde des Jakobsweges. Einer der ältesten, längsten und heute noch bekanntesten Pilgerwege Europas, der beginnend in Deutschland über 2000 Kilometer durch Frankreich und Nordspanien führt. Die Pilgerungen erlangten ab der Mitte des 12. Jahrhunderts solch ein gewaltiges Ausmaß, daß mit heutigen Worten von der ersten Touristenstraße in Europa gesprochen werden muß. Eine Straße, die eine immense Bedeutung für die gemeinsame Religion, das Zusammenwachsen des Abendlandes sowie für das Aufblühen von Handel, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft besaß. Die Kathedrale von Santiago de Compostela

Der heilige St. Jakob als `VaterŽ aller Pilger

 

 


Beeindruckend und interessant ist es, die Bedeutungen dieses Pilgerweges für die Menschen anhand der alten Kirchen, Kapellen, Kathedralen, Klöster und Schutzburgen entlang des Weges nachzuvollziehen. Überall sind Wandmalereien, Reliefs und Statuen des St. Jakob zu finden. Sei es in der Funktion und Form eines Apostels, als Märtyrer und Schutzpatron Spaniens im Glaubenskampf gegen die damaligen Mauren, oder als Vater aller Pilger. Als dieser trägt er einen Hut mit weiter Krampe und einer daran befestigten Muschel, einen Pilgermantel, eine Tasche und einen Pilgerstab mit daran befestigter Kalebasse. Äußere Erkennungsmerkmale eines damaligen Jakobspilger, die auch heute noch zu finden sind.

Ein Wandel der Pilgergründe


Waren es vor Jahrhunderten sehr viel mehr religiöse Aspekte, die die Menschen zu einer Wallfahrt führten, so haben sich Gründe in der heutigen Zeit sehr viel geändert. Die damaligen Pilger begaben sich auf eine auch sehr gefährliche Reise, um die Verehrung eines Heiligen oder eines Heiligtum auszudrücken, und damit den Wunsch für das eigene Seelenheil im Hinblick auf das Jenseits oder die Vergebung ihrer Sünden, sowie Hoffnungen auf ein Wunder verbanden oder ein Gelübde erfüllen mußten. Sei dies aufgrund einer freien Entscheidung, Prestigegründen für einflußreiche Personen, die häufig auch Pilger bezahlten, die für sie die Strapazen übernahmen, oder in Form einer sog. Strafwallfahrt, bei der Menschen unglaubliche Bedingungen auferlegt wurden, wie sie den Weg bewältigen mußten. Eine Wallfahrt auf Knien war dabei keine Seltenheit. Die heutigen Pilgergründe bestehen viel mehr in einer Sehnsucht, Abenteuer zu erleben, improvisieren zu müssen,

Jakobsbrüder des Mittelalters

die Eintönigkeit des Alltags zu durchbrechen und fremde Länder und Menschen intensiver und auf eine ganz andere Art kennenzulernen. Daß sie dabei dennoch die Form einer Pilgerung wählen und sich auf einen Pilgerweg begeben, den schon Millionen von Menschen vor ihnen gegangen sind, zeigt trotz aller Veränderung in der Moderne Parallelen mit damaligen Wallfahrtsgründen auf. Es ist der Wunsch, auszubrechen, die Geborgenheit der Heimat, den damit einher gehenden Luxus zu verlassen und sich auf den Weg zu machen. Eine Wanderung, deren Ziel erst in zweiter Linie das Erreichen eines Endpunktes in Form der Stadt Santiago de Compostella ist.

s ist vielmehr der Weg das Ziel. Ein Weg, auf dem man die Langsamkeit entdecken kann. Eine Wanderung, die man selbst bestimmt und die dennoch nicht vorhersehbare Situationen in sich birgt. Eine Wanderung, auf der man sich bewußt und zwangsläufig Unannehmlichkeiten bis hin zu tatsächlichen Schmerzen zumutet. All das, um zu suchen. Um Aufzubrechen und sich Zeit zu nehmen und in Ruhe und für sich selbst nach einem Sinn zu suchen, um zu sich zu finden. Diese Suche verbindet Pilger in der ganzen Welt.

Letztendlich ist man doch nicht alleine unterwegs

ir wanderten in einer Gruppe. Das war früher auch so: es sammelten sich Pilgergruppen, die bestimmte Wegabschnitte gemeinsam gingen. In der Gruppe wurde der Alltag gemeinsam geplant und Durchgeführt. Ob es der Schlafplatz war, der gesucht werden mußte; der Einkauf und die Zubereitung des Essens und letztendlich die Absprachen eines gemeinsamen Tagesablaufs.

Wir trafen auch andere Pilger, mit denen wir uns austauschten. So Philippe aus Vesoul, der uns eine längere Zeit begleitete. Auf der letzten Etappe trafen wir alte Bekannte wieder: Herr Hennigsen aus Niederweimar begann gerade eine mehrwöchige Wanderung auf dem Caminio in St. Jean-Pied-de-Port. Herr Hennigsen hat einen wünderschönen Dia-Vortrag über den Camino zusammengestellt, der im Dezember 99 in Marburg aufgeführt wurde.

Kai Großer / Peter Reckling



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